Störfeuer und Hintergrundrauschen

Wozu brauchen wir Füllwörter?

Ääääääähm… Füllwörter lassen uns inkompetent, nervös oder unkonzentriert wirken. Aber ist es wirklich so schlimm, hin und wieder mal ähm zu sagen? Die Forschung sagt, ähm, nein!

(We) Just Do It

Wir alle ähm tun es. Etwa so 2 bis 3 Mal pro Minute. Genau.

Kein guter Einstieg in eine Podcastfolge, die ich normalerweise sehr gut einstudiere. Wörter und Laute wie ähm, so, genau lassen mich unvorbereitet wirken und meinen Vortrag weniger seriös.

Sagt man zumindest so.

Als “Glaubwürdigkeitskiller” und “Bullshit Phrasen” werden sie uns — und den meisten Spitzenpolitiker*innen — in Kommunikationstrainings ab der ersten Sitzung abtrainiert.

Aber ist es wirklich so schlimm, hin und wieder mal ähm zu sagen?

Fehler im System

Im Alltag ist hier die Rede von Füllwörtern. Doch was füllen diese Wörter? Die Lücken zwischen inhaltstragenden Wörtern. Das sagt zumindest der Duden.

Sie kommen uns über die Lippen, wenn wir abgelenkt sind, nervös oder wenn wir seltene Wörter verwenden. Wenn ungeplante oder unverhergesehene Ereignisse unseren Redefluss unterbrechen, tendieren wir dazu, diese Unterbrechung mit kleinen ähs und ähms zu überbrücken. Auch Wörter, die wir im Alltag nur sehr selten verwenden, leiten wir häufig mit einem Füllwort ein. Das gibt unserem Gehirn Zeit, das Wort zu verarbeiten, und signalisiert unserem Gegenüber, dass jetzt etwas Wichtiges oder Neues kommt.

Noch vor 50 Jahren hat Noam Chomsky diese gefüllten Pausen, als Fehler im System beschrieben. Als kleinen Schluckauf in der Sprachproduktion. Könnten wir unser Sprachwissen nicht fehlerfrei in gesprochene Sprache umsetzen, würden uns stattdessen diese Lückenfüller rausrutschen.

Füllwörter in der Forschung

Bis heute sind Füllwörter ein beliebtes Forschungsthema in der Linguistik und der Psychologie. Viele Studien versuchen herauszufinden, wie sich der Gebrauch von Füllwörtern auf die Glaubwürdigkeit der Sprecher*innen oder das Verständnis bei den Hörer*innen auswirkt.

Wenn Füllwörter vom Inhalt des Gesagten ablenken, hindern sie uns natürlich daran zu verstehen, worum es in einem Gespräch eigentlich geht. Das passiert häufig dann, wenn außergewöhnlich viele Füllwörter verwendet werden oder wenn die Sprecherin nervös wirkt, zum Beispiel durch eine veränderte Tonlage in der Stimme. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit dadurch auf die Füllwörter anstatt auf den Inhalt des Gesagten.

In einer Studie von 2013 haben Forscher*innen Telefonumfragen untersucht und herausgefunden, dass die Mitarbeiter*innen, die mehr Füllwörter verwendeten, weniger Menschen dazu bringen konnten, tatsächlich an der Umfrage teilzunehmen. Dies könnte drauf hinweisen, dass Füllwörter mit Inkompetenz in Zusammenhang gebracht werden.

In derselben Studie stellte sich aber auch heraus, dass Mitarbeiter*innen die überhaupt keine Füllwörter verwendeten, am allerwenigsten Erfolg hatten. Offensichtlich spielt hier also die Dosis eine entscheidende Rolle: zu viele Füllwörter = inkompetent, zu wenige = Roboter.

Und tatsächlich: Füllwörter sind praktisch überall. Zumindest unter Menschen.

In einer Studie von 2014 konnte gezeigt werden, dass es keinen Unterschied macht, wie alt man ist oder welches Geschlecht man hat: alle Menschen verwenden Füllwörter. Und zwar im selben Ausmaß. Auf die ein oder andere Weise gehören Füllwörter also einfach zum Sprechen dazu.

Als Ideal werden in der Literatur meist zwischen 2 und 6 Füllwörter pro Minute angegeben.

Wenn Füllwörter ausschließlich negative Effekte hätten, hätten wir sie mit Sicherheit schon vor langer Zeit aus unserem Sprechen entfernt. Genauso wie wir das mit Tabuwörtern oder politisch inkorrekter Sprache machen.

Sie sind Teil der sogenannten phatischen Kommunikation. Wenn wir sprechen, übermitteln wir nicht nur eine Botschaft an eine andere Person. Beim Sprechen geht es uns auch darum, den Kontakt zu dieser Person herzustellen und sicherzustellen.

Ähnlich wie Grußformeln, die wir meistens einfach automatisch abspulen, ohne damit wirklich etwas zu sagen, dienen auch Füllwörter wie “also” oder “ähm” dazu, den Kommunikationskanal zwischen mir als Sprecherin und einer anderen Person als Hörerin aufzubauen, zu testen oder aufrechtzuerhalten. Ein “also” zu Beginn eines Vortrags kann die Aufmerksamkeit der Zuhörer*innen auf mich lenken und ihnen signalisieren, dass nun etwas Wichtiges folgt. Nämlich mein Vortrag. Ein “ähm” nach einem ersten Gedanken kann meiner Gesprächspartnerin anzeigen, dass ich noch nicht fertig bin und gerne noch einen zweiten Gedanken äußern möchte.

Füllwörter übernehmen also eine wichtige soziale Funktion.

Häsitationsmarker

Mittlerweile gelten Füllwörter in der Forschung also nicht mehr unbedingt als Fehler oder Zeitverschwendung. Ganz im Gegenteil: Ihnen werden ganz unterschiedliche Funktionen zugeschrieben. Dazu teilt man diese große Gruppe an Wörtern oder Phrasen meist in zwei etwas kleinere Untergruppen ein.

Auf der einen Seite spricht man von Häsitationsmarkern, auf der anderen Seite von Diskursmarkern.

Häsitationsmarker (z. B. äh oder ähm) erfüllen eine Art Reparaturfunktion, zum Beispiel wenn man sich versprochen hat. Sie können auch als sprachlicher Dämpfer vor schlechten Nachrichten dienen: Die Suppe ist ähm ein bisschen zu salzig.

Außerdem helfen sie uns dabei, Sätze zu gliedern. Ein kurzes äh in einem langen Satz kann Wunder wirken, und bündelt unsere Aufmerksamkeit, wenn wir kognitiv eigentlich schon abdriften wollen: Weißt du noch letztens auf der Party von der Freundin von der Schwester von der Petra ihrem Freund, die, wo dann die Polizei gekommen ist, weil die Petra um Mitternacht über die Regenrinne — oder war das ihr Freund? — runtergeklettert ist, äh da war doch dieser eine Typ…